3. Altes Gasthaus Rugge

3. Altes Gasthaus Rugge (Propsteihof 15)

idyllisch vom Kirchplatz aus - das alte Gasthaus Rugge

(Propsteihof 15)

Zuerst Spieker (Speicher) des Küsters Colmann, dann Gast- und Handelshaus der Familie Niermann, zeitweilig auch Vogtei und Relaisstation der Wagenpost von Münster nach Paderborn. Das Alte Gasthaus ist seit 1667 wichtige Begegnungsstätte und bedeutender Einkaufsort für die Clarholzer Bevölkerung mit wechselvoller Geschichte.

Hier stand im frühen 17. Jahrhundert ein Spieker, den Propst Johann Schilling 1634 ankaufte und 1639 Elisabeth Smedes († 1689) zur Nutzung überließ. Johann Niermann († 1674), der die neue Besitzerin später heiratete, erhielt als Vogt des Klosters 1667 die Erlaubnis, den Spieker zu erweitern, entschied sich aber zu einem großzügigen Neubau, der den Kirchhof noch heute im Osten säumt. Das 60 Fuß lange und 42 Fuß breite Fachwerkhaus hat zwei hohe Geschosse in Stockwerkszimmerung, ist nordsüdlich ausgerichtet und zeigt auf seiner Traufseite zum Kirchplatz hin 13 Gefache.

Es erscheint weder als Ackerbürgerhaus noch als Bauernhaus, sondern steht wie ein Amtshaus da. Von 1669 bis 1721 diente es auch der Wagenpost, die zwischen Münster und Paderborn verkehrte, als Haltestelle und dem Wechsel der Postpferde. Seine Besitzer brauten Bier, schenkten Wein und Branntwein aus und trieben Handel. Das Haus beherbergte fünf Generationen der Familie Niermann (1667-1806), hieß vorübergehend Helling (1806-1833) und wurde dann von der Familie Biermann ersteigert. Seit 1907 gehört es der Familie Rugge, die das historische Gasthaus nun auch schon in der vierten Generation führt.

 

das alte Gasthaus Rugge - hier vom Marktplatz Clarholz aus gesehen

Propst Johann Schilling kauft den Spieker 1634 für 50 Taler von Anna Vesaen, Witwe des Clarholzer Küsters Peter Colmann, und ihrem Ehemann Cord Thier, Küster in Warendorf, kaufte. 1639 erhielt Elisabeth Smedes den Spieker zur Nutzung, weil sie dem Propst 320 Taler zum Ankauf des Hofes Brand in Herzebrock und dreier Kotten geliehen hatte. Johann Niermann († 1674), Sohn und Nachfolger des Clarholzer Vogtes Arnd Niermann, heiratete die betuchte Frau und verband seine Amtsgeschäfte in zeittypischer Weise erfolgreich mit der Gastronomie und dem Kreditgeschäft.

Weil sich die Familie in ihrem Spieker beengt fühlte, wollten der Vogt und seine Frau zunächst eine schon früher zugestandene Erweiterung des Hauses vornehmen, entschieden sich dann aber zu einem aufwändigen und großzügigen Neubau, er ihnen unter Auflagen gestattet wurde. Im Falle einer ansteckenden Krankheit sollten sie den Clarholzer Pastor in das neue Haus aufnehmen. Wenn sie sich dem Kloster gegenüber nicht wohlverhielten und das Kloster den früheren Kredit einlöste, sollte das Haus in den Besitz des Klosters fallen. Die Familie Niermann pflegte aber über Generationen hinweg gute Beziehungen zum Kloster. Während Gottfried Niermann, ein Bruder des Vogtes, von 1653 bis 1701 als Pfarrer in St. Vit wirkte, schloss sich Maria Elisabeth Niermann, eine Urenkelin des Vogtes Johann Niermann, 1716 dem Prämonstratenserorden an und lebte bis zu ihrem Tod 1762 als Chorschwester im Dortmunder Katharinenkloster.

1796 wurde Conrad Franz Rembert Niermann geboren. Er studierte an der Königlich Preußischen Bauakademie in Berlin. Vom dort vertretenen Klassizismus geprägt, war er seit 1833 Bauinspektor im Kreis Wiedenbrück, seit 1846 Regierungsbaurat in Minden. Im Sakralbau wandte er sich um 1840 der Neugotik zu († 1854). Sein Elternhaus ging 1806 durch Heirat der Witwe Niermann mit dem Gastwirt Carl Friedrich Helling aus Lippborg in deren Besitz über und trug nun vorübergehend seinen Namen.

Im Jahre 1833 ersteigerte der Langenberger Gastwirt Caspar Heinrich Biermann, der seit 1830 mit Maria Antoinette Josepha Niermann verheiratet war, das Erbe seiner Frau. Die „Hellingsche Behausung“ hatte damals einen Taxwert von 1500 Taler, ein Heuerlingshaus war mit 60 Taler veranschlagt, während die zugehörigen Gärten und Erbpachtsgründe 897 Taler wert sein sollten.

1907 gelangte das Niermann-Biermannsche Anwesen durch Kauf in den Besitz der Familie Rugge aus Beelen, die es bis in die Gegenwart als Gasthaus weiterführt und jahrzehntelang die Clarholzer Bevölkerung mit Lebensmiteln und Kolonialwaren versorgt hat.

Seit 1669 verkehrte zwischen Münster und Paderborn eine Wagenpost; die Postpferde wurden im Hause Niermann gewechselt (bis zum Bau der Posthalterei 1721 durch Johann Conrad Otterpohl in Herzebrock). Ende Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts versteuerte Niermann seine Brauerei und den Ausschank von Wein und Branntwein. Daneben wurde auch gehandelt. Im Jahre 1905 gab es die Biermannsche Gastwirtschaft mit Kolonialwarenhandel, Molkerei und Schlachterei. Seit 1910 bestand hier die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft, deren Geschäftsführer Rugge war.

Von 1910 bis 1974 diente das Gasthaus Rugge auch als Eichstelle. Hier gab es eine Viehwaage, während Rugge der vereidigte Wäger war. 1924 ist die Schlachterei zur Mühle umgebaut worden. An die Stelle des Schlachtbetriebes trat der Handel mit Fleisch- und Räucherwaren. Die Clarholzer Leichentransporte lagen von 1915 bis 1963 ebenfalls in den Händen der Familie Rugge. In der Zeit von 1953 bis 2014 hat es eine Reihe baulicher Veränderungen und Neubauten gegeben, die mit Nutzungsänderungen verbunden waren. Der Handel mit Porzellan- und Haushaltswaren, Eisenwaren, Öfen und Sämereien wurde 1960 in die ehemalige Mühle und in die Genossenschaftsräume verlegt, 1968/69 entstand ein Supermarkt nebenan. Die früheren Läden wurden zu einem Restaurant umgestaltet.

Von 1983 bis 1992 entstanden ein Getränkemarkt, eine Bäckerei und ein Supermarkt, die bis zum Neubau von Märkten auf dem sogenannten Schlösser-Gelände bestanden.